INHALT
Einführung
Vor einigen Jahren
Die Erde - ein sterbender Planet
Evath - eine neue Hoffnung
Die sich entwickelnde Nation
Energie
Ein Zwischenspiel
Mitral
Eine Jungfernfahrt
© 1987 Incentive Software Limited
EINLEITUNG
Willkommen beim "Driller" - Abenteuer!
Wir stellen vor:
FREESCAPE
Das revolutionäre neue System, das von Major Developments entwickelt wurde, dem hauseigenen Programmier & Entwicklungs - Team von Incentive Software Ltd. Freescape repräsentiert viele tausend Mannstunden, die damit zugebracht wurden, diesen großen Fortschritt in Realismus auf Ihren Computerbildschirm zu bringen. Zum ersten Mal können Sie eine feste, dreidimensionale Umwelt mit vollständiger Bewegungsfreiheit erforschen. Sie können sich zu jedem Punkt im dreidimensionalen Raum bewegen und in jede Richtung blicken und den Anblick erleben, als wären Sie wirklich dort.
Die volle Perspektive der fremdartigen Umgebung, komplexes Spielen und eine große, detailreiche Landschaft tragen zu der einzigartigen, faszinierenden Atmosphäre von "Driller" bei. Wir hoffen, Ihnen gefällt das Erlebnis.
Oh, und viel Glück!
Ian Andrew
(Herausgeber)
"Driller" spielt auf einem fremden Mond, der eine andere Welt in einer
Region unserer Galaxis umkreist, die die Menschheit des 20. Jahrhunderts
noch erforschen muß.
Wegen der Größe und dreidimensionalen Natur des Spielgebietes
haben wir dieser Packung eine farbige Darstellung des Mondes Mitral beigefügt.
Diese kann flach belassen werden, um die Kartierung und Orientierung in
2 Dimensionen zu ermöglichen, oder sie kann zu einem dreidimensionalen
Modell der Plattformen, die Mitral umgeben, zusammengebaut werden. Um das
zu machen, falte zuerst entlang der punktierten Linien, einschließlich
der Klebefalze, dann klebe jeden Falz an seinen Platz. Beginne mit Falz
A, indem du ihn an die Stelle der schwarzen Seite heftest, die mit "Affix
A" gekennzeichnet ist, dann wiederhole es mit B, C usw. bis die Struktur
vollständig ist.
Das sich ergebende vielflächige Modell ist eine Darstellung der
18 Bohrplattformen, die über die Kraterlandschaft des Mondes gebaut
wurden. Du kannst deinen Kurs über das Modell darstellen und ihn mit
allen Bemerkungen oder Zeichnungen versehen, die deinem Vorankommen helfen
können, einschließlich Gebäude, Kristalle, Wände,
Türen usw.Die erste Plattform, auf der du startest,ist schon zu deiner
Orientierung kartiert worden. Deine Startposition ist durch das S angezeigt.
Wenn du anfängst, blickst du in südöstliche Richtung.
VOR EINIGEN JAHREN
Das Kind Lesleigh starrte seinen Lehrer neugierig an. Das einzige Auge
des Lehrers leuchtete zurück, ohne zu blinzeln, in der dunklen Tiefe
des Klassenraumwürfels. Das Kind klopfte ungeduldig auf den Sensor
des Lehrers und verlangte mehr Informationen, und bekam sie innerhalb weniger
Sekunden.
Lesleigh war klug, lernte schnell und suchte das Wissen, welches das
Kind aus einer kurzen Jugend in eine vielversprechende Erwachsenenlaufbahn
bringen würde. Die Gestalt, die auf ihrem Drehstuhl gekrümmt
dicht vor dem Schirm saß, mit Beinen, die hoch über dem Boden
baumelten, war von einem unersättlichen Hunger nach Fakten und Theorie
erfüllt. Der Sitz drehte sich ständig; Lesleigh konnte nicht
stillsitzen - nicht, wenn eine Lektion gehalten wurde.
ERDE - EIN STERBENDER PLANET
Die Erde ist unser Mutterplanet, der in einem Sonnensystem sehr weit
vom Vasculan-Stern entfernt liegt.
Es gibt wenig Gesichertes über die Erde und die Kultur ihrer Völker,
außer den Erinnerungen der ersten Alten, die elektronisch gespeichert
wurden. Legenden gibt es und wird es geben unter den Leuten von Evath,
so wie die Hoffnung bleibt, sich wieder mit den Vätern zu vereinen.
Die Leute der Erde waren verantwortungslos und sahen nicht ihren Mißbrauch
der Elemente und Naturressourcen des Planeten ein. Der Boden wurde geschändet
und seiner Nährstoffe beraubt, während sich viele der Rassen
und Nationen vonein- ander entfernten, um eigene Sprachen und Kulturen
zu entwickeln. Die Aufspaltung ging weiter durch jeden Teil der Gesellschaft
- die Leute waren zersplittert und die Individuen dachten nur an sich selbst.
Das ständige Teilen von Gruppen und Ländern führte zu inneren
Konflikten zwischen einzelnen Leuten, Familien, Gesellschaften und schließlich
Nationen. Das Fehlen von Harmonie bedeutete, daß eine globale Durchsetzung
von Gesetzen eine Unmöglichkeit war, und kleinere Streitigkeiten und
persönliche Gier führten zu steigender Kriminalität und
schließlich zu Krieg großen Maßstabes.
Die Zerstörung der Welt und die Beendigung ihrer Existenz schienen
die einzigen Ziele der Mehrheit der Erdlinge zu sein. Wenige wünschten
dieses Ende, aber noch weniger sahen eine Lösung für die entsetzlichen
Konsequenzen.
Es war tragisch, daß große Mengen von Zeit und Reichtum
für nichtige Konflikte und großräumige Zerstörung
verwendet wurden. Denn alle Erdlinge besaßen eine Brillianz und einen
Genius, dem nur wenige Evathianer gleichkommen. Glücklicherweise benutzte
eine Anzahl ihre Gaben für bessere Ziele - um medizinischen Fortschritt
und physikalische Forschung voranzutreiben. Selbst die Alten von heute
können nicht von allen Wundern der Erde erzählen, denn viele
sind mit Sicherheit vergessen. Doch manche dieser Errungenschaften existieren
heute in unserer Gesellschaft - das Erbe der Fortschritte in der Medizin
hat uns eine ausgedehnte Lebenserwartung gebracht, die mehr als das Doppelte
von dem beträgt, was von der Erde berichtet wird, eine schnellere
Entwicklung und ein praktisches Aufhalten des äußerlichen Alterungsprozesses.
Manche Erdenwissenschaftler entwickelten Bomben, die zu benutzen sie
sich fürchteten, während andere einen Ausweg suchten. Die Erde
war überbevölkert und die menschliche Rasse suchte nach einer
neuen Heimat. Unbemannte Sonden wurden in nahe Sonnensysteme geschickt
und zu anderen Galaxien. Es dauerte Jahre, bis die erste zurückkehrte.
EVATH - EINE NEUE HOFFNUNG
Eine Sonde kehrte von einer langen Reise zum Sonnensystem des Sterns
Vasculan zurück. Sie brachte Nachrichten, durch Filmaufzeichnungen
und Proben, von einem bewohnbaren Planeten, nicht unähnlich der Erde.
Der neue Planet hatte einen viel geringeren Radius und kein tierisches
Leben, nur primitive Vegetation. Evath, wie er von einem vergessenen Wissenschaftler
genannt wurde, war jünger als die Erde und ideal, um das menschliche
Leben zu erhalten, wie es der alte Planet so lange getan hatte. Er war
perfekt.
Es gab nur einen Rückschlag. Evath war so weit von der Erde entfernt,
daß die Reise in irgendeinem ausreichenden Raumschiff über ein
Jahrhundert dauern würde. Keine Mannschaft konnte so lange leben,
keine Kolonie konnte durch ein Schiff voller alter, schwacher Reisender
aufgebaut werden. Die Raumfahrt war nicht so fortgeschritten wie andere
Zweige der Wissenschaft dieser Zeit - mehr Geld wurde für Raketen
und Medizin ausgegeben, die sich gegenseitig perfekt ergänzten.
Die Reise würde mit den gegenwärtigen Raumschiffen gemacht
werden müssen, und das Problem mit der allermodernsten Wissenschaft
gelöst werden. Nach einer Menge Überlegungen entschied man sich
für eine Art Lösung. Sie war nicht vollständig befriedigend,
doch die Wissenschaftler waren verzweifelt, daß etwas schnell getan
werden mußte. Experimente mit der Kryogenik (bei der das Leben eingefroren
wird und das Altern bis zum Auftauen vollständig anhält) gingen
nicht schnell vorwärts, doch sie waren soweit gekommen, daß
sie in der Lage waren, Embryonen mit einer 87%igen Überlebensrate
"einzufrieren".
Es wurde entschieden, daß der erste menschliche Bote, der zum
Evath flog, ein Schiff mit ungeborenen, unentwickelten Babies sein sollte.
Diskrete Nachforschungen stießen auf kein Fehlen von Freiwilligen.
Dreihundert Eltern wurden ausgesucht, um Embryos für die Reise zu
stiften; dreißig von diesen wurden ausgesucht, um ihr Kind in die
neue Welt zu bringen. Diese Leute opferten ihre Leben für ihre Nachkommen,
die auf Evath "geboren" werden würden. Die ursprünglichen Eltern
würden alt werden, und ihre Kinder würden die Aufgabe fortsetzen,
die zukünftige Rasse zu überwachen und ihr Schiff zu dem entfernten
Planeten zu steuern.
Durch die Generationen wurde die Sicherheit und Geborgenheit dieser
winzigen Leben gewährleistet, wenn neue Kinder auf dem Schiff geboren
wurden, deren einziger Zweck es war, ihre Enkel zu bewachen, die noch nicht
geboren waren.
Das Leben auf der "Exodus" hatte eine hohe Qualität. Das Schiff
war groß genug, um riesige Sektionen der Erdenkultur, Wissenschaft
und Maschinerie zu enthalten. Doch der eigentliche Raum, den die zukünftige
Bevölkerung von Evath einnahm, war vergleichsweise klein. Eine kleinere
Sektion war für eine Anzahl von Embryonen anderer Lebewesen eingerichtet
worden: Tiere und Pflanzen, die für Nahrung sorgen würden. Die
Wachen aßen von den Lagern, die in genauen Mengen geplant und verpackt
worden waren.
Und so landete die "Exodus" auf ihrem vorausbestimmten Ziel. Die Wachen
lehrten alles, was man sie gelehrt hatte oder an was sie sich erinnern
konnten, ihren Vorfahren, die ihre ersten Schritte auf dem Boden von Evath
machten ... und immer seitdem haben wir auf die Ankunft eines weiteren
Schiffes von der Erde gewartet.
DIE SICH ENTWICKELNDE NATION
Die Kolonie auf Evath entwickelte sich langsam zu einem zivilisierten
Zustand. Schließlich begann sie als eine Nation von Kindern. Und
als solche litt sie an Wachstumsschmerzen. Für eine Weile drohte das
Chaos zu überwiegen, und es sah so aus, als würde der neue Planet
der Erde in der Entwicklung von Gegenkulturen und entzweiten, bedrohten
Staaten folgen.
Es blieb den ältesten Kolonisten, genannt "Die Alten", überlassen,
ihre Kontrolle über die unruhige Niederlassung zu festigen. Sie wurden
noch immer von all ihren Untergebenen respektiert, die sie als Quelle aller
Weisheit und allen Wissens betrachteten. Alle Einsicht und Instruktion
kam von den Alten, und unter ihren leitenden Händen herrschte Frieden.
Jahre vergingen und die Alten starben. Neue Alte wurden eingesetzt,
um ihren Platz zu übernehmen, und sie hielten die Traditionen und
losen Gesetze aufrecht, die aufgestellt worden waren. Doch diese Herrschaft
war in der Gemeinschaft nicht stabil, denn die neuen Alten waren allen
anderen gleich, weil sie auch auf Evath "geboren" worden waren. Es gab
keine überlebenden Mitglieder der ursprünglichen Alten mehr,
die noch Erinnerungen an das Leben auf der Erde aus zweiter Hand besaßen.
Es gab wilden Streit darum, wer regieren sollte: sollte es der Stärkste
oder der Weiseste sein? Der Älteste oder der Jüngste? Für
mehr als ein Jahrzehnt wurden die Regeln sporadisch von fast jedem gebrochen.
Die Wahrheit war, daß sich keiner sicher war, was die Regeln waren,
oder was ein annehmbarer Verhaltenskodex sei.
Den Alten blieb noch einiger Respekt, und mit einer geringer werdenden
Gruppe von Anhängern taten sie das, was sie zu vermeiden gehofft hatten
- sie formierten eine Armee. Mit dieser Armee wurden die Leute von Evath
wieder zurückerobert und unter Kontrolle gebracht. Das neue System
war fester, spezifischer, und durch ein Gesetzbuch gebunden. Unter diesen
Gesetzen konnte kein Evathianer ständig auf einem der beiden anderen
Kontinente leben - sie wurden auf Garistia beschränkt. Alle Entartungen,
Diebstahl und Gewalt konnten mit dem Tode bestraft werden.
Das erwies sich als der Schock, der Evath zu seinem früheren Versprechen
zurückbrachte. Und mit der Rückkehr des Friedens lockerten die
Alten ihre Gesetze leicht. Die Todesstrafe wurde durch Exil ersetzt; Kriminelle
wurden vom Planeten verbannt, obwohl zwei leere Kontinente zwei Drittel
des Globus bedeckten. Diesen Kriminellen wurde gestattet, ihren ganzen
Besitz mitzunehmen, doch sie konnten nie zurückkehren und ihre Überlebenschancen
wurden als vernachlässigbar klein betrachtet. Sie wurden mit dem Spitznamen
"Ketars" als ein Zeichen des Ärgers und des Mitleids belegt.
Ketars wurden nicht lange bemitleidet; ein bezeichneter "Ketar" wurde
verbannt und vergessen; durch das Gesetz war verboten, über ihn mit
seinem Namen zu reden.
Die Alten formierten eine Kraft, welche die Armee ersetzte und sowohl
für Recht und Ordnung einstand, als auch die Bergwerksinteressen durchsetzte,
die zu dieser Zeit von erstrangiger Bedeutung für Evath waren. Diese
Kraft wurde "Die Liga" genannt, und ihr beizutreten, war eine Ehre und
Anerkennung für das Können. Heute wird das Leben auf Evath von
der Liga kontrolliert, und eine große Zahl der Gesamtbevölkerung
hat Posten in ihrer komplizierten Hierarchie. Eine kleine Elite ist zu
den Rängen der "Driller Föderation" zugelassen, welche die exklusivste
Abteilung der Liga ist.
ENERGIE
Die Energieprobleme des Menschen endeten mit der glücklichen Entdeckung
einer neuen Kraftquelle - der Rubicon-Kristalle. Nicht daß der Mensch
gerade nach ihnen suchte, auch waren sie nicht das Ergebnis eines dramatischen
wissenschaftlichen Durchbruchs. Ihre Entdeckung war ein Zufall, eine Laune
des Schicksals; bevor eine menschliche Kolonie auf Evath errichtet wurde
- als die ersten Sonden ausgeschickt wurden, um die Bewohnbarkeit des Planeten
zu erforschen - wurden diese durchsichtigen roten Kristalle auf jedem der
drei Kontinente gefunden.
Genaue Analysen enthüllten, daß sie eine primäre Energiequelle
waren, und obwohl diese Energie erschöpflich war, gab es genug von
ihnen, um sie als wertvoll zu betrachten. Diese Entdeckung war so bedeutend
wie die Entdeckung von Kohle, Gas und Öl vor Jahrhunderten auf der
Erde. Doch der Unterschied auf Evath war, daß kein oder wenig Bergbau
nötig war, denn die Kristalle lagen herum und warteten darauf, aufgehoben
zu werden. Rubicon-Kristalle bedeuteten, daß die Kolonisation von
Evath vorangehen konnte - die Geburt einer neuen Welt für tausende
Leute.
Die Kristalle wurden sowohl wegen ihrer schimmernden roten Farbe so
genannt (d.h. ihrer Ähnlichkeit mit Rubinen) als auch, um den revolutionären
Schritt zu würdigen, der getan worden war, um "zu Hause" zum ersten
Mal für ständig zu verlassen. (Den Rubikon überschreiten...-Redewendung;
d.Übers.)
Für Jahre wurden Rubicon-Kristalle in jedem Bereich des Lebens
eines Evathianers genutzt, ohne daß ihre Struktur, Zusammensetzung
und Funktion voll verstanden wurde. Es wußte einfach keiner, was
sie waren oder wie sie funktionierten. Und keinen kümmerte es. Keinen,
außer eine kleine Gruppe von neugierigen Wissenschaftlern, die -
mit ebensoviel Voraussicht wie Intelligenz - wußten, daß diese
neugefundene Kraftquelle verantwortungslos benutzt wurde. Tatsächlich
gab es riesige Mengen von Kristallen, die immer noch mühelos von der
Oberfläche Evaths genommen werden konnten und für Generationen
der Menschheit ausreichen würden. Doch die Kolonie würde wachsen
und der Planet würde schließlich mit mehreren Millionen Leuten
voll bevölkert sein, die alle Energie fordern würden, um zu überleben
und zu gedeihen. Es schien diesen Wissenschaftlern, daß es nur wenige
gab, welche die Bedeutung des fortgesetzten Wachstums der Kolonie begriffen
- sie sahen eine Wiederholung der Situation voraus, die sie auf der Erde
hinter sich gelassen hatten, wo die Länder überbevölkert
waren, die Leute hungerten und die Naturressourcen des Planeten fast aufgebraucht
waren.
Die Kristalle waren nicht so komplex oder unverständlich, wie
die Wissenschaftler zuerst dachten. Sie entdeckten, daß ihre Energie
ähnlich der war, die in natürlichem Licht enthalten ist, z.B.
die Energie der Strahlen der Sonne Vasculan. Es dauerte nicht lange, bis
ein Prozess erfunden war, durch welchen Rubicon-Kristalle unter Mitwirkung
von Sonnenlicht künstlich hergestellt werden konnten. Manche sahen
diesen Durchbruch als eine Katastrophe für den neuen Planeten an -
der Rubicon-Abbau würde aufhören und die strenge Kontrolle der
Alten über die Kraftquellen würde abnehmen.
Doch es kam nicht zu der vorausgesagten Katastrophe, sondern das Gegenteil
trat ein. Obwohl der Abbau von Rubicons wirklich zurückging, verloren
die Alten nicht die Kontrolle. Denn die Evathianischen Wissenschaftler
waren offenbar auf das Geheimnis von Evath und seiner bemerkenswerten Energiequelle
gestoßen - der Stern Vasculan, der über ihren Planeten leuchtete,
war einzigartig. Er allein sorgte für ein Licht, das seine Energie
in dieser festen Form speichern konnte. Das erklärte auf eine befriedigend
einfache Weise, warum kein Mineral auf der Erde jemals entdeckt worden
war, das solche nützlichen Eigenschaften besaß. Deshalb wurde
das volle Geheimnis der Kräfte der Kristalle streng bewahrt.
Mit einem neuen Reichtum und optimistischen Aussichten begann die sich
ausdehnende und gedeihende Kolonie Evaths die Oberfläche mit größerer
Tatkraft und Enthusiasmus abzubauen. Die grundlegenden und rudimentären
Techniken, die für das leichte Erlangen der natürlich vorkommenden
Rubicons notwendig gewesen waren, wichen neuen Methoden und neuer Ausrüstung,
welche die Herausforderungen der Technologie nutzten. Es war nicht besonders
überraschend, daß Evath einen großen Reichtum an wertvollen
Mineralen beherbergte, den die Bewohner nicht gerade langsam ausbeuteten.
Mittlerweile ging die Herstellung von Kristallen weiter und mit steigender
Erfahrung wurden neue Formen von Kristallen produziert - Kristalle verschiedener
Farben, Kraft, Größe, Formen und Funktionen. Die Evathianer
hatten eine Kraftquelle nutzbar gemacht, deren Möglichkeiten buchstäblich
endlos waren.
EIN ZWISCHENSPIEL
Lesleigh war zwölf Jahre alt, bereits ein voll ausgewachsener Erwachsener,
und bereit, mit der Arbeit für die Liga zu beginnen. Doch Lesleigh
hatte eine ehrgeizigere Hoffnung - die Driller Föderation.
Lesleighs Großvater war ein Mitglied der Föderation gewesen,
aber nicht lange. Er prahlte ständig mit seiner Verantwortung, aber
er nahm seine Arbeit nie leicht oder vernachlässigte seine Rolle in
der Gesellschaft. Was sich als sein Sturz erwies, war ein Fehler des Gesetzes,
ein Justizirrtum, der ihn des Mordes für schuldig erklärte, obwohl
er keinen begangen hatte. Er wurde verbannt, als Ketar gebrandmarkt, und
nie wieder gesehen. Erst fünf Wochen nach seiner Verbannung wurden
neue Beweise gefunden, die seine Schuld widerlegten. Es war zu spät,
um ihn zu retten. Das Gesetz erlaubte keiner als Ketar gebrandmarkten Person
die Rückkehr.
Lesleigh war nicht verbittert, noch suchte er Vergeltung, doch er wollte
stattdessen Teil der Gesetzeshüter werden und sicherstellen, daß
in der Zukunft Recht geschah.
MITRAL
Die Zwillingsmonde, die Evath umkreisten, wurden Mitral und Tricuspid
genannt. Sie wurden nicht als wichtig betrachtet, und nebenbei, es gab
drei ganze Kontinente zu erforschen, bevor Reisen sich jenseits des "Neuen
Eden" erstrecken konnten, welches Evath zu werden versprach.
Die Ketars, die gebrandmarkten Kriminellen, die vom Planeten verbannt
worden waren, kolonisierten einen von ihnen sehr schnell. Die Wahl war
eine Sache momentaner Entscheidung, sie fiel auf Mitral. Nichts verhinderte
die Kolonisierung beider Satelliten, doch sie hatten soviel Verstand, all
ihre Ressourcen und Energie in die Gründung einer "Gesetzlosen"-Kolonie
zu stecken, was das Risiko eines Fehlschlages verringerte.
Das Leben auf Mitral war hart, wie man erwarten kann, wenn die Gesellschaft
aus Mördern, Dieben und anderen Verbrechern gebildet wird. Es gab
viele Verbrechen und Ehrlosigkeit unter den Ketars, bis unvermeidlich eine
Hierarchie etabliert wurde, in der nicht die Ältesten, sondern die
Stärksten und Schlauesten die Kontrolle übernahmen. Sie disziplinierten
die anderen, doch sie trauten ihnen nicht mehr, als es ein anderer Evathianer
getan hätte. Also wurde ein Sicherheitssystem von Schutzverriegelungen,
Laserabwehr und geheimen Computernetzwerken gebaut, um jeden der Sektoren
mit den anderen zu verbinden und die herrschenden Ketars zu schützen.
Die "unteren" Klassen der Ketars hatten Zugang zu den wenigsten Gebäuden
auf Mitral. Nur die Führer besaßen die Mittel, um die Sektoren
zu betreten, die auf den hellsten und dunkelsten Oberflächen zu finden
waren, wo sie lebten und die Kontrolle über dieses Netzwerk ausübten.
Während sich jeder Ausgestoßene auf Mitral einrichtete,
wuchs die Kolonie durch die zusätzlichen Güter, die jeder mitbrachte.
Bergbau wurde als ein Experiment versucht und es überraschte nicht,
daß der Stein so reich an wertvollen Mineralien war wie Evath. Die
Kolonie wuchs und der Bergbau begann in großem Maßstab. Wegen
der weichen und mit Kratern bedeckten Oberfläche des Mondes war organisierter
Bergbau schwierig. Daher wurde eine riesige Operation durchgeführt,um
die gesamte Mondoberfläche zu verändern - achtzehn Plattformen
wurden symmetrisch um Mitral herum konstruiert, flache und feste Plattformen,
die großen Druck aushielten. Durch diese wurde der Bergbau leicht
und auf ihnen wurden Gebäude errichtet.
Diese Kolonisierung dauerte viele Jahre, denn es war schwer, Nachschub
zu bekommen. Die Evathianer entdeckten, was die Ketars machten, doch sie
taten nichts, um sie zu stoppen - Evath war noch rein und hatte auch ohne
die eifersüchtigen Kriminellen genug eigenen Bergbau. Die Ketars wurden
ignoriert und ihre Existenz zugelassen, während weitere geschickt
wurden, um sich zu ihnen zu gesellen.
* * *
Die Ketars hatten auf Mitral keinen wirklichen Hintergrund an Bergbautechnologie
und ihre Unerfahrenheit und die erschöpfende Zertrümmerung des
Mondes forderten ihren Preis. Gastaschen begannen sich im Inneren von Mitral
aufzubauen, der Druck erhöhte sich, je mehr Minerale und Rubicons
aus dem Gestein genommen wurden. Die Ketars entdeckten, daß irgendetwas
faul war, als sich kleinere Explosionen und Brände in der ganzen Kolonie
ereigneten. Sie fanden die Quelle dafür im Inneren des Mondes und
versuchten vergeblich, das Gas kontrolliert zu verbrennen. Doch sie hatten
weder die Werkzeuge dazu, noch verstanden sie völlig, was in Mitral
vorging, so daß sie nach ein paar Versuchen den Mond verließen
und auf einem der unbewohnten Kontinente von Evath landeten, in der Hoffnung,
die Einwohner zu täuschen. Doch, bevor sie ihn verließen schalteten
sie ihr Sicherheitssystem auf Automatik!
EINE JUNGFERNFAHRT
I 38. Quasary 328
Lesleigh Skerrit goß sich ein halbes Glas Milch ein und stellte
den Polyformkarton zurück in den Kühlschrank. Nachdem er die
Schutzklappe doppelt verriegelt hatte, stand der junge Jurapraktikant auf
und hob das Glas zum Mund. Die Flüssigkeit war erfrischend kühl,
sogar belebend. Lesleigh leerte das Glas und warf es dann ins Abwaschbecken.
Leise auf dem Boden auftretend, griff Lesleigh nach dem Lichtschalter
und betrat den vorderen Raum. Die Küche versank hinter ihm sofort
in Dunkelheit.
Montigue Yarbro lächelte seinem Angestellten zu, als Lesleigh
den Raum durchquerte, einen Stuhl unter der Platte eines Plastikschreibtisches
hervorzog und sich setzte.
"Freut mich, Sie zu treffen, Skerrit", lächelte Yarbro, "ich habe
lange auf diese Gelegenheit gewartet." Er rutschte in seinem Sessel herum,
so daß er den jungen Praktikanten ansehen konnte. "Ich hoffe, es
macht Ihnen nichts aus, daß wir Sie zu dieser Zeit gerufen haben,
es ist recht spät."
"Nein. Es macht mir nichts aus", log Lesleigh, "ich bin nicht müde."
Yarbro gähnte und kratzte sich am Kinn.
"Ich wünschte, ich könnte dasselbe sagen. Doch die Sache
ist wichtig. Wir sind gekommen, um über Ihre Arbeit zu sprechen, um
Ihnen ein Angebot zu machen."
Als Lesleighs besorgter Blick zu der schweigenden und nickenden Gestalt
von Trent Hoppe glitt, blitzten Montigues Augen leicht belustigt auf. "Schauen
Sie nicht so schwermütig drein. Es gibt keinen Grund zur Besorgnis."
In Lesleighs gequältem Ausdruck zeigte sich wenig Erleichterung.
"Es ist nur, was wir gehört haben, wissen Sie, über andere Studenten,
die nicht ihren Mann standen und vom Ausbildungsprogramm ausgeschlossen
wurden. Ich hoffe, dieser Besuch betrifft mich nicht auf diese Weise?"
"Macht er nicht", sagte Hoppe trocken. "Im Gegenteil, der Staat garantiert,
daß alle Studenten, die ihre letzten Prüfungen bestehen, automatisch
in die Streitkräfte aufgenommen werden."
Lesleigh antwortete mit einem schiefen Lächeln.
Yarbro holte einen beträchtlichen Packen Papiere hervor und blätterte
kurz in ihnen. Nach einigen Augenblicken schloß er den Ordner und
ließ ihn zu Boden fallen. "Das ist Ihr Jahresbericht. Sie scheinen
auf vielen Gebieten hervorragend zu sein. Anscheinend, wenn man durch alle
Berichte dieses Jahrganges geht, sind Sie an der Spitze herausgekommen.
Wußten Sie das?"
"Nein, Sir", antwortete Lesleigh.
"Sie haben das sehr gut gemacht", meinte Yarbro. "Das ist im Prinzip,
warum wir hier sind. Wir sind gekommen, um Ihnen ein Angebot zu machen."
Lesleigh runzelte die Stirn.
"Was für eine Art Angebot?"
"Ein Angebot, das Sie nicht ablehnen können", lachte Montigue
und strich sich über seinen Schnauzbart. "Oder ein Angebot, das Sie
nicht ablehnen werden wollen."
Sein unangenehmes, irgendwie schwächliches Lachen ließ Lesleigh
sich unbehaglich fühlen.
"Es ist, sehr vereinfacht, eine Beförderung. Doch eine Beförderung,
wie keine zuvor in diesem Staat. Sie sind der erste, der einen solchen
drastischen Sprung in der Verantwortung machen wird." Er machte eine Pause,
damit seine Worte maximal auf Lesleigh wirken konnten. "Sie werden vom
Praktikanten zu einem Mitglied der Driller Föderation, oder, wie Sie
sie vielleicht kennen, der Elite, befördert werden", erklärte
Yarbro. "Dies ist eine ungewöhnliche Situation. Sie ist nie zuvor
eingetreten."
Hoppe drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus und lehnte sich
zurück.
"Nehmen Sie an?"
"Natürlich", sagte Lesleigh. "Natürlich nehme ich an. Es
dauert nur einen Augenblick, bis ich es verarbeitet habe, das ist alles."
"Wirklich", meinte Hoppe feierlich, "Sie hatten kaum eine Wahl. Ihre
Formulare sind bereits ausgefüllt."
Lesleigh hob die Schultern.
"Ich nehme an, meine Antwort kommt nicht unerwartet."
"Nein", sagte Yarbro. "Wir wußten, daß Sie annehmen würden.
Sie haben den Ehrgeiz genau wie die akademischen und physischen Voraussetzungen.
Ihr Ausbildungsbericht war sehr umfassend."
"Aber warum ich? Ich habe keine Extraausbildung, keine Föderationsausbildung."
"Wir haben uns entschlossen, es in diesem Jahr zu versuchen, und die Alten
zu ermuntern, ein neues Rekrutierungsprogramm anzunehmen. Das schließt
ein, die vielversprechendsten Kandidaten jedes Jahr von der Schule zu nehmen
und sie in ein exklusives Föderationsausbildungsprogramm zu bringen.
Die Alten hörten uns zu, zugegeben, mit Skepsis, doch sie erlaubten
uns, unsere Idee zu testen."
"Und wenn ich nicht meinen Mann stehe, werden Sie nicht in der Lage
sein, im nächsten Jahr den Besten eintreten zu lassen."
"Das ist richtig", sagte Hoppe. "Sehen Sie, die Alten sind ein sturer
Haufen. Sie sind gegen Veränderungen und ganz glücklich damit,
sich zurückzulehnen und alles glatt gehen zu lassen, ohne Fehlschläge,
ohne Störungen."
"Genau", sagte Yarbro. "Daher müssen Sie beweisen, daß das
System, das wir vorschlagen, funktionieren wird."
Versagen, dachte Lesleigh, würde eine Menge Druck auf bereits
schwache Schultern bedeuten. "Wann fange ich an?
"Morgen", sagte Yarbro, "kommen Sie in mein Büro, ich werde eine
Uniform besorgen usw. Da sind ein paar Formulare zu unterschreiben und
solche Dinge. Sie werden dann einige Leute von der Föderation treffen
und mit ihnen sprechen können, über die Ausbildung diskutieren."
Er stockte. "Und dann werden wir Ihnen zeigen, was Sie zu tun haben."
"Was habe ich zu tun?"
"Nun, das ist schwierig, sehen Sie. Wir haben eine kleine Aufgabe für
Sie vorbereitet. Sie umfaßt eine Menge physischer Anstrengungen,
aber sie ist sehr einfach zu erfüllen. Das Problem ist aber, es ist
entscheidend, daß Sie Erfolg haben. Nicht nur wegen der Entscheidung
der Alten, sondern wegen etwas Wichtigerem."
"Was ist das?" fragte Lesleigh.
"Es hat mit den Ketars zu tun", erklärte Hoppe. "Sie werden das
nicht wissen, aber sie haben Mitral verlassen. Zuerst dachten wir, daß
sie vielleicht planen, einen Angriff auf uns zu starten, doch dann erkannten
wir, daß diese Idee natürlich reine Phantasterei war. Sie haben
wenig Waffen und keine schnellen Transportmittel. Selbstverständlich
schickten wir eine Sonde zum Mitral, die sich umsehen sollte. Sie brachte
Aufzeichnungen, Bilder usw. zurück." Er machte eine Pause. "Miteinander
verbunden, bilden diese Elemente eine hübsch verstörende Geschichte",
sagte Yarbro. "Sehen Sie, das Problem ist, die Ketars versuchten, Mitral
auszubeuten. Erfolglos, möchte ich hinzufügen. Und da liegt das
Problem. Durch ihre schwerfälligen Anstrengungen haben sich unter
der Oberfläche große Gastaschen gebildet. Sie versuchten, das
Gas abzufackeln, doch sie evakuierten sich, als es zu gefährlich wurde.
Es hängt von uns ab, die Sache mit Spezialausrüstung fertigzubringen."
"Warum? Was für Schwierigkeiten macht das Gas, warum haben sie
evakuiert?"
"Das Gas scheint sich selbst zu entzünden. Wenn es das tut, wird
Mitral ganz einfach explodieren. Der gesamte Mond wird zerbrechen, vollständig
auseinanderfliegen. Diese Explosion wird katastrophale Auswirkungen auf
uns haben. Unsere Wissenschaftler haben berechnet, daß es den ganzen
Kontinent von Neu-Asien zerstören wird. Vollständig."
"Nun, Sie könnten denken, daß uns das nicht besonders betrifft",
sagte Hoppe, "doch das tut es. Tests haben gezeigt, daß Neu-Asien
reich an Rubicons ist, die nur darauf warten, abgebaut zu werden. Es ist
so reich, wenn nicht reicher, als dieser Kontinent war, als die ersten
Kolonisten ankamen."
Lesleigh atmete tief ein. "Wann wird sich das Gas entzünden?"
"Nicht mehr lange", sagte Yarbro, "unsere Wissenschaftler denken, zwei
bis zweieinhalb Wochen. Ein Schiff ist gebaut worden und die letzten Vorbereitungen
werden getroffen. Wenn es vollständig bereit ist, wird es Sie zum
Mitral bringen und dort lassen. Ihre Aufgabe wird es sein, festzustellen,
wo die Gastaschen sind. Wenn sie lokalisiert sind, werden achtzehn spezielle
Bohreinrichtungen auf die Plattformen teleportiert werden und das Gas wird
ausbrennen. Dann wird Ihre Aufgabe bereits erfüllt sein."
Lesleigh blieb für einige Augenblicke stumm, bevor er sprach.
"Was ist mit Training, was für eine Ausbildung bekomme ich?"
"Sie brauchen keine Ausbildung", sagte Yarbro. "Alles was Sie wissen
müssen, hat man Ihnen schon beigebracht, es ist eine relativ einfache
Aufgabe."
"Okay", murmelte Lesleigh, "ich nehme an. Lassen Sie mich nur morgen
kommen und darüber reden. Ich bin müde und würde gern ins
Bett gehen."
"Das ist schön", sagte Yarbro, sich erhebend. "Hier ist meine
Büronummer und die Adresse des Gebäudes."
Er holte ein Stück Papier hervor und legte es auf den Tisch.
"Morgen um 9.00 Uhr. Okay?"
"Schön. Danke."
Yarbro lächelte und nahm seinen Mantel vom Haken.
"Ich sehe Sie also morgen. Ich werde nicht im Büro sein, aber
Mr. Hoppe wird. Er wird sich um Sie kümmern."
39. Quasary 328
Das harte weiße Licht des Vasculan strömte durch die halboffenen
Blenden und warf eine Reihe von flackernden Streifen über den Tisch,
wie einen Käfig aus Licht und Schatten.
Seine Augen beschirmend, sammelte Trent Hoppe kühl seine Notizen
ein, knickte die Ecke um und steckte sie in einen bestimmten Schlitz in
der Tischplatte. An seiner Seite schob sich Lesleigh Skerrit eine lose
Haarsträhne aus den Augen, die nicht nur vom Sonnenlicht ermüdet
waren. Es war ein aufreibender Morgen mit dem Studieren von Deklarationen
und dem Unterschreiben von Formularen gewesen.
Hoppe zündete eine Zigarette an und steckte das Feuerzeug aus
Platin und Opal zurück in die Hosentasche. Nachdem er inhaliert hatte
und den Rauch durch die Nase blies, sprach er.
"Wie fühlen Sie sich?"
"Gut, nur ein wenig nervös."
"Oh, das ist verständlich. Ich gebe zu, meine erste Mission war
nicht so schwierig wie Ihre, aber ich litt genauso."
Er lachte dünn. "Sie werden darüber hinwegkommen. Machen
alle." Hoppe zog einen Moment lang an seiner Zigarette, bevor er fortfuhr.
"Sie verstehen, daß Sie morgen aufbrechen, zunächst einmal?"
"Ja, Mr. Yarbro erklärte den Zeitplan; er wird mir einen Plan
besorgen, bevor ich heute das Büro verlasse." "Nein, ich werde mich
darum kümmern. Ich werde Ihnen in einer Minute eine Kopie besorgen",
sagte Hoppe. "Doch zunächst, wie würde es Ihnen gefallen, das
Schiff zu sehen, das Sie hinbringen wird? Wir haben ein Schiff speziell
dafür modifizieren lassen, Sie und Ihre Mannschaft zum Mitral zu bringen.
Sie werden Sie dort lassen und das Schiff sicher zurückbringen."
"Ich würde es gern sehen; wie heißt es denn?"
"Die 'Bellastania', oder die 'Letzte Hoffnung', so hat man es genannt,
glauben Sie das? Ein bißchen abgedroschen, aber es war nicht meine
Idee."
Lesleigh wurde blaß.
"Es gefällt mir nicht, von mir zu denken, daß ich die letzte
Hoffnung bin." "Machen Sie sich keine Gedanken", beruhigte ihn Hoppe. "Sie
werden es schon schaffen, die Aufgabe ist wirklich ganz einfach." Er streckte
die Hand nach einer grauen Wandkonsole aus. "Jedenfalls ist, wie Sie sich
wahrscheinlich schon gedacht haben, dieses Büro nur zeitweilig. Ich
mußte es zusammenstellen, um über die Konstruktion des Schiffes
wachen zu können. Es hängt in dem Hangar, den Sie dort sehen."
Er betätigte einen Schalter und ein dumpfes Brummen ertönte.
Lesleighs Ohren fanden die Quelle des Geräusches. Die Augen sprangen
automatisch zu den Fensterläden. Sie hoben sich und glitten auseinander.
Schmierflüssigkeit tropfte von rostigen Zähnen und spritzte auf
die Roste darunter. Ölige Ketten spannten sich im Inneren, versteckte
Scharniere knarrten. Das künstliche Licht vom Hangar dahinter drang
kaum durch das trübe Glas.
"Werfen Sie einen Blick drauf", schlug Hoppe vor, als die Läden
langsamer wurden und das elektrische Summen verstummte.
Lesleigh nahm die Einladung an, trat ans Fenster, legte seine Ellenbogen
auf das Fensterbord und spähte über den Rand. Unten, sehr weit
unten, lag die "Letzte Hoffnung", und ihre metallene Konstruktion füllte
den gesamten Hangar aus. Ketten hingen von oben herab und verloren sich
hunderte Fuß tiefer. Kräne standen schweigend herum, metallene
Laufstege und Stützen hingen über dem stumpfen Metall des Schiffes.
Winzige gelbe Gestalten hasteten hier und da herum. Lesleigh schmunzelte
und beobachtete belustigt ihre Bewegungen.
"Was machen sie jetzt?"
Hoppe kam zum Fenster und legte seine Hände dagegen, um in die
Tiefe zu blicken.
Er beobachtete ihre Aktionen einen Augenblick lang, bevor er antwortete.
"Packen, denke ich. Sehen Sie diese Karren? Sie transportieren Vorräte."
"Was für Vorräte?"
"Nahrungsmittel und solche Sachen."
Lesleigh beobachtete einen der Karren, wie er durch den Hangar rollte,
während sein Lenker vergeblich mit ihm kämpfte.
"Muß eine Menge Nahrung sein", witzelte Lesleigh und blinzelte,
um das Zeichen zu erkennen, das jede Kiste markierte.
Was war das?
Ein Totenkopf? Und unter ihm ein Kreuz? Zwei gekreuzte Knochen vielleicht?
Schädel und Knochen? Lesleighs Gedanken rasten.
Schädel und Knochen...
Unter dem Zeichen war etwas Verwischtes, vielleicht ein Wort. Ein in
Rot geschriebenes Wort. Und dann bemerkte Lesleigh eine Lücke, sehr
schwach, aber definitiv eine Lücke. Also waren es zwei Worte...
Lesleigh studierte das Verwischte eindringlich, bevor der Karren unter
dem
Rumpf des Schiffes verschwand. Zwei Worte und ein Schädel mit
Knochen. Alles in Rot.
Gift? Vielleicht, Vorsicht Gift?
Oder ... "Vorsicht - Sprengstoff"?
Sprengstoff?
"Warum laden sie Sprengstoffe an Bord?" fragte Lesleigh ruhig. Hoppe
stieß sich vom Glas ab. "Sprengstoffe? Ich weiß nicht. Sind
Sie sicher, daß Sie das gesehen haben?"
"Ja, ich bin sicher."
Schweigen.
Hoppe sah auffällig auf seine Uhr.
"Oh Gott", murmelte er und schnipste mit den Fingern. "Die Versammlung,
ich muß zu der Versammlung."
Er sah Lesleigh an. Ihre Blicke trafen sich und hielten sich fest.
"Ich muß jetzt gehen", sagte er. "Ich werde mich zur Versammlung
verspäten."
Lesleigh verstand den Hinweis. "Ich werde mich etwas umsehen und Johnstone
besuchen gehen."
"Yeah, fein. Ich sehe Sie später."
Sie verließen das Büro. Hoppe verschloß die Tür
hinter ihnen.
Lesleigh fand Johnstone im Lager. Er machte gerade eine kurze Pause,
bevor das Packen weiterging.
Die hektische Fertigstellung des Schiffes in den letzten paar Wochen
hatte die Lebenskraft aus ihm herausgesogen. Er sah müde und erschöpft
aus.
Der frühere Wissenschaftler lebte jedoch auf, als Lesleigh hereinkam.
Angebote von Kaffee oder Zigaretten wurden höflich abgelehnt.
"Ich verbringe gerade ein wenig Zeit alleine", er lächelte und
betrachtete den staubigen Fußboden. "Nie viel Zeit zum Ausruhen in
diesen Tagen. Immer in Bewegung, immer im Trab."
Lesleigh setzte sich vorsichtig auf den Deckel einer Kiste, er fürchtete,
daß dieser das Gewicht nicht aushalten würde.
"Wie geht das Packen voran?"
"Gut, gut." Johnstone sah auf seine Uhr. "Nur eine Menge Anstrengungen,
das ist alles."
Er hob eine Tasse Kaffee an die Lippen und schlürfte die dampfende
Flüssigkeit. "Um die Wahrheit zu sagen, ich werde froh sein, wenn
es alles vorbei ist."
"Haben Sie den Zeitplan bei sich?" fragte Lesleigh. "Deshalb bin ich
hergekommen."
"Nein. Mr. Hoppe sagte, er würde ihn für mich besorgen. Er
macht das mit dem Kopierer."
"Er ist jetzt auf einer Versammlung", sagte Lesleigh. "Ich komme gerade
aus seinem Büro."
"Eine Versammlung? Er hat zu mir nie eine Versammlung erwähnt",
murmelte Johnstone. "Macht nichts, es tauchen eine Menge überraschende
Versammlungen in dieser Woche auf. Sie haben immer irgendwas neues zu diskutieren."
Lesleighs Gehirn hörte kaum, was Johnstone gesagt hatte. Die Verbindung
zwischen Gehirn und Körper war zeitweise unterbrochen.
"Haben Sie eine Ahnung, weshalb man Sprengstoffe an Bord bringt?" fragte
Lesleigh.
"Sprengstoffe?" Johnstone sah verwirrt aus. "Man würde keine Sprengstoffe
benötigen, nicht auf einer Mission wie dieser."
Er dachte nach, dann grinste er.
"Oh, ich weiß, was Sie meinen. Diese Kisten mit den Totenköpfen
drauf, ist es das, was Sie gesehen haben?"
"Yeah, ich sah, wie sie jemand nur vor zwei Minuten ins Schiff lud."
"Das sind keine Sprengstoffe", erklärte Johnstone. "Nahrungsmittel,
einfach Nahrungsmittel. Mr. Yarbro sagte uns, er hätte einige alte
Kisten benutzt, um die Nahrungsmittel zu transportieren, statt uns neue
bauen zu lassen. Er hat sie heute früh herüber gebracht."
"Woher wollen Sie wissen, daß nicht zufällig die Sprengstoffe
dringelassen wurden?"
"Weil er es sagte. Er sagte, sie enthalten Nahrungsmittel, und ich
glaubte ihm."
"Also haben Sie sie nicht geöffnet?" fragte Lesleigh.
"Nein!" Johnstone klang verärgert. "Nein, ich habe sie nicht geöffnet.
Wenn ich herumliefe und Kisten öffnete, die nicht mir gehören,
würde ich wegen Diebstahls festgenommen werden."
Er schaute weg und zog eine Zigarette aus einem Lederetui.
"Es tut mir leid, wenn ich ärgerlich klinge", gab er zu. "Sie
müssen sich ja Sorgen machen. Ich gehe ja nicht auf das blöde
Schiff."
"Es ist nicht das", sagte Lesleigh. "Es ist der Fakt, daß, wenn
durch einen Zufall Sprengstoff daringeblieben sein sollte, und er irgendwie
hochgeht, das Schiff beschädigt werden könnte. Wir müßten
anhalten. Die Mission müßte verschoben werden, oder sogar gestrichen."
Lesleigh stockte, dann fuhr er fort.
"Ich muß mein Bestes tun, um einen Fehlschlag zu verhindern.
Ich bin ausgesucht worden, erwählt."
Johnstone inhalierte den Rauch und warf Lesleigh einen Blick zu.
"Sie denken, daß die Zerstörung von Neu-Asien eine Katastrophe
wäre? Das denken Sie, nicht wahr?"
Lesleigh schaute ihn befremdet, leicht feindselig an.
"Natürlich glaube ich das."
"Nun, ich habe etwas besseres für Sie." Er stockte. "Ich habe
ein wenig Forschungsarbeit in Explosionen der Größe und Natur
gesteckt, wie sie sich auf Mitral ereignet, wenn er zertört wird.
Meine Ergebnisse mögen keine festen Fakten sein, keine Beweise, aber
selbst das geringste Anzeichen für eine Katastrophe, wie ich sie beschreiben
will, muß verhindert werden."
"Was für eine Katastrophe? Geht sie weiter als die Zerstörung
von Neu-Asien?"
"Oh, ja, viel weiter", fuhr Johnstone fort. "Sehen Sie, wenn Mitral
explodiert, kann das Neu-Asien total ruinieren, aber es würde auch
als Stoß wirken, wie eine Welle." Er blies eine Rauchfahne in die
stickige Luft. "Sehen Sie, Mitral ist nicht weit von uns entfernt. Wenn
er explodierte, würde das wie der Schuß aus einem Gewehr sein.
Ein Schuß aus kurzer Entfernung. Klar, der Kontinent würde schlimmen
Schaden erleiden, doch der Schock würde auch unseren Planeten treffen,
uns fortstoßen. Er würde uns aus der Umlaufbahn stoßen..."
"Sind Sie sicher?"
"Sehr sicher, aber erzählen Sie niemandem davon, ja?"
"Yeah, Okay."
Johnstone machte eine Pause, um Kaffee zu trinken.
"Und wenn wir aus der Umlaufbahn gestoßen sind, würden wir
von der Sonne wegtreiben. Die Temperatur des Planeten würde fallen.
In kürzester Zeit wären wir alle tot."
Lesleigh erhob sich kühl.
"Es ist nur ein Gedankenexperiment", sagte Johnstone und strich sich
sein Haar zurück. "Nur eine Theorie."
"Ich werde Sie später noch einmal besuchen", sagte Lesleigh, "sobald
ich den Zeitplan von Hoppe bekommen habe."
"Okay."
Lesleigh stolperte aus dem Lagerraum, und begann die Treppe hinaufzusteigen.
II Iotania
Ein bitterkalter Wind blies Wolken aus feinem Sand in die eisige Luft,
wie eine Welles des schäumenden Ozeans peitschte er Staub aus dem
mürben Boden. Das safranfarbene Glühen des fast vollen Mondes
ließ die winzigen Teilchen mitten in der Luft hängend erscheinen,
wie gefrorene Glühwürmchen.
Die wenigen, verdurstenden Büsche, welche die öde Landschaft
bedeckten, beugten sich nachgiebig vor dem Wind. Tote Blätter wirbelten
in die Luft und wurden von der bedrückenden Dunkelheit verschluckt.
Stille herrschte in dieser Nacht im Tal. Stille und Frieden.
Normalerweise hätte Kirst Ellan an der Stille Gefallen gefunden,
an dem Frieden. Doch nicht heute Nacht. Jede Nacht in jeder Woche saß
er auf dem selben Stein. Auf seinem Stein. Lauschte der Stille. Heute jedoch
war seine Routine durchbrochen worden, war er in Unruhe versetzt worden.
In Iotania herrschte kein Frieden mehr.
Montigue Yarbro zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch
in die Nacht.
Es war Ellan, der als erster sprach.
"Welche Kraft vertreten Sie? Das Gesetz - die Liga? Das Militär?
Die Föderation?"
"Die Föderation."
Kirst blinzelte in das Tal. "Ich nehme an, Sie sind gekommen, um herauszufinden,
warum wir Mitral verlassen haben."
"Nein, wir haben bereits festgestellt, warum Sie ihn verließen",
sagte Yarbro. "Dies ist ein informelles Treffen, keiner weiß, daß
es stattfindet."
"Was wollen Sie dann wissen?"
"Nichts, ich habe alle Informationen, die ich gegenwärtig brauche.
Ich bin nicht gekommen, um Ihnen Fragen zu stellen, ich komme, um Ihnen
ein Angebot zu machen." Yarbro inhalierte die reine Luft und fuhr fort.
"Ich komme, um einen Handel mit Ihnen und dem Ketar-Leuten zu machen. Eine
Partnerschaft."
"Was für eine Art Partnerschaft?" fragte Kirst Ellan. "Was springt
für uns dabei heraus?"
"Schutz und sichere Unterbringung", erklärte Yarbro. "Sobald Sie
Ihre Hälfte des Handels erfüllt haben, werde ich persönlich
den Transport Ihrer Leute nach Garistia beaufsichtigen, wo Sie bei mir
sicher sein werden. Sie werden unter militärischem Schutz stehen."
Ellan dachte nach, doch sein Augenblick des Überlegens brachte
nur die einfache Frage hervor: "Was haben wir zu tun?"
"Ein Schiff entführen. Ich werde Sie begleiten, doch als ein stiller
Partner. Die Tat muß scheinen, als sei sie Ihre eigene Idee."
"Welches Schiff?"
"Die 'Letzte Hoffnung'. Jungfernfahrt. Es ist eine Mission, um einen
Passagier zum Mitral zu bringen und sofort zurückzukehren." Er hielt
für eine Sekunde inne. "Was auch geschieht, das Schiff darf Mitral
nicht erreichen."
"Warum?" fragte Ellan. "Was ist das Ziel dieser Reise - was wird dieser
'Passagier' auf Mitral machen?"
"Das 'Ziel' ist es, den Prozeß umzukehren, den Sie selbst gestartet
haben, und nicht stoppen konnten - die Ansammlung von Gas und die Zerstörung
Ihres Mondes."
"Und Sie wollen nicht, daß das umgekehrt wird?"
"Nein."
"Warum?"
Montigue Yarbro seufzte und atmete tiefer. Sein Atem hing in der Luft
und betonte die Staubwolke mit Wassertröpfchen.
"Nun, Mr. Ellan, im Garistia von heute gibt es viele Fehler. Es gibt
keinen Platz für Verbesserungen oder Reformen, Erneuerungen oder Erfindungen.
Das Problem liegt im System. Das Gefüge unserer Gesellschaft ist sehr
schwach, sehr vage. Wir befolgen die Gesetze, ohne zu fragen, während
Kriminelle wie Sie verbannt werden, und auf diese Weise wenden wir unseren
Problemen den Rücken zu statt sie anzusehen.
Um fortzuschreiten, muß die menschliche Rasse die Zügel
fester in die Hand nehmen, die Träger festigen und die Ideale verstärken.
Ich habe vor, all das zu verändern, uns einen Schritt weiter die Leiter
hinaufzustoßen, an der zerbrochenen Sprosse vorbei, an der fehlenden
Stufe. Einmal dort, werden wir in der Lage sein, uns zu verbessern. Die
Welt wird ein besserer Ort sein."
"Wie wollen Sie all dies verändern?" fragte Ellan. "Die Zerstörung
eines Schiffes wird nichts beeinflussen."
"Oh, doch, sie wird." Er hustete. "Garistia wird von einem Rat schwacher
alter Männer regiert, wie Sie wissen - von den 'Alten'. Die meisten
respektieren sie und Ihr Ketars verabscheut sie natürlich wegen Eurer
Bestrafung. Sie sind gegen Veränderungen und die Bürger sind
unter ihrer Herschaft zufrieden. Für den Fortschritt braucht Garistia
ein neues politisches System."
"Eine Diktatur. Sie wollen das sein - ein Diktator?" fragte Ellan.
"Ist es das, was Sie wollen?"
"Nein, nicht ganz. Ich will wirklich eine Diktatur, aber ich will nicht
besonders gern ein Diktator sein", sagte Yarbro. "Als ich erkannte, daß
Mitral dabei ist, zu explodieren, sah ich meine Chance. Meine Chance, Garistia
als Geisel zu halten. Meine Forderungen werden sein, daß der Rat
auf die Straße gezerrt und hingerichtet wird. Ein Diktator wird sofort
eingesetzt werden", er unterbrach sich, um Atem zu schöpfen. "Ich
habe in der Vergangenheit versucht, die Leute zu überzeugen, daß
der Rat hoffnungslos ist und gestürzt werden sollte. All meine Anstrengungen
schlugen fehl. Ich mag Staub aufgewirbelt haben, aber ich heizte nicht
genug Spannung an. Nun bin ich am Ende meiner Geduld. Ich muß gewaltsamere
Methoden benutzen."
"Wie können Sie den Rat erpressen?" fragte Ellan. "Wenn Mitral
explodiert, wird er nicht Garisia zerstören, sondern Neu-Asien. Ihre
Leute werden nicht im geringsten betroffen sein."
"Ich weiß. Darum geht es ja. Wenn Neu-Asien erst einmal ausgelöscht
ist, und nur dann, kann ich sie erpressen. Sehen Sie, ganz Garistia hängt
von Rubicon-Kristallen ab. Alles läuft mit diesen Kristallen. Ohne
sie würde Garistia innerhalb von Stunden zum Halten kommen", erklärte
er. "Mein Plan ist, die Produktion von Rubicons so lange anzuhalten, bis
man meine Forderungen erfüllt, und der Rat hingerichtet ist. Es wird
einfach sein. Jede Mine ist eingeschlossen und gut verteidigt. Wir könnten,
wenn nötig, gegen eine kleine Armee bestehen."
"Aber", sagte Ellan, "könnten Sie das nicht jetzt schon tun? Die
Explosion könnte verhindert werden und Sie könnten den Rat trotzdem
stürzen. Sie brauchen doch Mitral nicht zerstören lassen."
"Doch, doch, das brauche ich. Sehen Sie, diese Kristalle sind jetzt
in Neu-Asien entdeckt worden. Wenn die Vorräte ausgehen, wird Neu-Asien
schließlich erschlossen werden. Wenn ich alle Bergwerke schließe,
wird innerhalb einer Woche Neu-Asien voller Minen sein. Sie würden
meine Kristalle nicht brauchen. Ich würde versagt haben."
Es gab eine lange, nachdenkliche Pause.
Ellan fragte: "Wann fangen wir an? Ich bin sicher, daß der Rest
des Camps auf Ihre Bedingungen eingehen wird."
Yarbro lächelte.
"Gut, die Entführung wird in zwei Tagen stattfinden. Ihre Männer
werden mit Waffen ausgerüstet werden, in dem Schiff, mit dem ich kam,
ist ein ausreichender Vorrat. Ich werde Sie und fünf Ihrer Männer
im schnellsten Schiff, das Sie haben, begleiten und wir werden die 'Letzte
Hoffnung' abfangen. Nach dem Entern werden wir die fünfköpfige
Besatzung sofort finden und töten. Es wird keine Probleme geben. Der
Praktikant, den wir für die Mission ausgesucht haben, hat keine Erfahrung
in diesen Dingen.
Wenn die Besatzung tot ist, werden wir in die Lagerräume gehen.
Unter den Vorräten sind einige Kisten mit Sprengstoff verborgen. Diese
werden in einen wichtigen Teil des Schiffes gebracht. Vielleicht auf die
Brücke. Vielleicht sogar zu den Triebwerken. Wir werden die Zeitzünder
einstellen und verschwinden. Am Abend werden wir alle in Garistia sein."
Er stand auf und streckte seine Hand aus. "Ich werde nun gehen und
am Morgen zurückkehren."
Sie schüttelten sich die Hände.
"Ich werde Ihren Besuch erwarten", sagte Ellan.
III
Das titanische Schiff, die "Bellastania", kroch hinaus durch das Vakuum,
das sich zwischen Evaths Stratosphäre und dem Mond "Mitral" erstreckte.
Ruß und Öl hafteten hartnäckig an seinem zerbeulten Äußeren
und weigerten sich, ihre klebrige Umarmung zu lösen.
Das Schiff, auch als die "Letzte Hoffnung" bekannt, war kein besonders
schöner Anblick; es war weder dekorativ noch schlank. Einfach funktionell.
Wenn sie in die Stadt Elvira zurückkehrte, würde die Bellastania
gesäubert, verschlossen und in einen Hangar gesteckt werden, wo sie
für unbestimmte Zeit bleiben würde. Es war unwahrscheinlich,
daß ihre Dienste je wieder benötigt würden.
Der erste Tag der Reise war ohne Ereignisse vergangen. Nach anfänglichen
Feindseligkeiten hatte sich die Besatzung aneinander zu gewöhnen begonnen.
Es hatte Zurückhaltung in der Freundlichkeit Lesleigh gegenüber
gegeben (warum sollte ein einfacher Praktikant eine Situation bewältigen,
die so delikat wie diese war?), doch die Besatzung hatte begonnen, ihre
Verantwortung und Lesleighs Kompetenz als gleichwertig anzusehen.
Beruhigt, daß es möglich war, sich auf ein normales Gespräch
einzulassen, hatte Lesleigh einen der Besatzung, Franc Nailla, gebeten,
die Folge von Ereignissen zu erklären, die ihrer Ankunft vorausgehen
würden. Seine Erklärung war ausführlich und detailliert
gewesen.
Die Bellastania war zu ungefüge, um auf Mitrals dichtbedeckter
Oberfläche zu landen. Das voraussehend, hatten die Konstrukteure ein
Shuttle vorbereitet, das Lesleigh und die Grabesonde zum Mitral bringen
und dortlassen sollte. Das Shuttle war darauf programmiert, automatisch
zurückzukommen und bei der Bellastania anzulegen. Der Vorgang klang
so einfach, Lesleigh konnte nur hoffen, daß das Steuern des Shuttles
ebenso unkompliziert war, wie Franc versichert hatte.
Das Ketar-Schiff näherte sich der Dockstation des größeren
Schiffes vorsichtig, gelegentliche Stöße seiner zwei Triebwerke
hielten es auf einer sicheren, parallelen Position. Dock-Computer beider
Schiffe tauschten Erkennungssignale aus. Die Kommunikation setzte ein.
Die Geschwindigkeit beider Schiffe begann sich zu verringern; sie glichen
sich an und koppelten.
Eine Kette von Landelichtern flackerte an Bord des größeren
Schiffes auf.
Auf dem Ketar-Schiff wurde der gegenwärtige Kurs abgebrochen und
ein neuer gewählt. X-Achsen-Triebwerke erstarben. Y-Achsen-Triebwerke
flammten auf.
Langsam erwachte die Station. Das Kapermanöver hatte begonnen...
Die Brücke der Bellastania war leer, ohne jedes menschliche Leben.
Nicht, daß die menschliche Gegenwart vermißt wurde.
Ein surrender Ventilator erzeugte einen ständigen Luftzug; Plastikblätter
rotierten lautlos hinter einem Metallrost und schufen einen Tunnel aus
Luft, der die Seiten des Notizbuches bewegte, das offen auf der Arbeitsplatte
lag. Eine Lichtleiste hing von der Decke herab und beleuchtete den verlassenen
Raum. Ein winziges rotes Rechteck blinkte; organisches Leben war zurückgekehrt.
Mit einem Ruck hob sich die Ausgangsluke und Nailla trat herein. Er rannte
zu seinem Platz und ließ sich schwer in einen steifen Sessel fallen,
der mit der Haut irgendeines namenlosen Tieres überzogen war. Er überflog
die ungefügen Reihen schweigender Bildschirme und schlafender Konsolen
mit professionellem Interesse, drehte an einem Schalter und lehnte sich
mit einem besorgten Ausdruck im Gesicht zurück.
Seine Augen huschten über eine Anzeige über seinem Kopf.
Er war in der Kantine gewesen und hatte mit den anderen Mitgliedern der
Besatzung einen Drink genommen, als er das Geräusch hörte...
Ein hallender metallischer Schlag, gefolgt von einigen rauhen Kratzern.
Das war unmißverständlich das Geräusch der sich öffnenden
Außenluke. Es gab nur zwei Möglichkeiten. Beide waren recht
unwahrscheinlich, doch unglücklicherweise mußte eine von ihnen
richtig sein.
Die erste ... Jemand mochte versucht haben, hinauszugelangen. Sehr
fragwürdig, da das Shuttle über der Brücke an seinem eigenen
Dock angebracht war. Oder, jemand mochte versucht haben, hereinzukommen...
Nailla hatte zögernd das letztere angenommen, und jetzt, als er
die komplexe Kopplungsanzeige betrachtete, bestätigte sich sein Verdacht.
Die Besatzung versammelte sich auf der Brücke. Thea Kell hatte
noch ihren Drink in der Hand. Sie stellte ihn auf den Tisch, ohne einen
weiteren Schluck zu nehmen.
Ede Slaye hatte eine lose Deckenplatte in den Lagerräumen repariert,
als er den Lärm hörte. Zur Brücke zurückrennend, stieß
er mit Pete Watels zusammen. Als sie die Brücke erreichten, waren
Lesleigh, Kell und Nailla bereits dort.
Nailla gab schnell einen Befehl in ein graues Keybord ein und hielt
inne, um nachzudenken. Dann tippte er weiter und das Geräusch der
klappernden Tasten riß an der Stille und den Nerven der anderen.
Slaye griff nach einer Zigarette in seine Tasche, doch er fand sie
leer. Er überlegte, ob er die anderen fragen sollte, öffnete
den Mund, dann überlegte er es sich anders und schloß ihn wieder.
Thea Kell ging um die Konsole herum zu ihrem Platz. "Was ist im Dock?"
fragte sie und setzte sich in ihren Sessel. Der Plastikbezug war eiskalt.
"Ein Justizschiff? Vielleicht ist es eine Kontrolle", murmelte Slaye.
"Hast du versucht, mit ihnen in Verbindung zu treten?"
Nailla zwang sich zu einem schwachen Lächeln. "Ich denke, das
ist sehr unwahrscheinlich. Ich habe Warnsignale gegeben, das übliche
Zeug, und sie haben nicht geantwortet. Es gab keinen Versuch, der normalen
Kopplungsprozedur zu folgen."
"Wenn sie drin sind, muß der Dockcom sie erkannt haben. Sie müssen
irgendwie kommuniziert haben, um Zutritt zu erhalten", meinte Lesleigh.
"Sie könnten sich ihren Weg durchgebrannt haben, nehme ich an",
sagte Nailla, "vielleicht sogar die Docks zerlasert haben." Er überprüfte
unwillig die Konsole vor sich. "Aber wir haben keine Schadensmeldung, die
einen erzwungenen Eintritt bestätigen würde", fuhr er fort. "Ich
glaube, wir können von Glück reden, wenn sie sich als freundlich
herausstellen."
Die Brücke wurde still. Das Klopfen von unten hatte momentan aufgehört.
Lesleigh sah Watels an.
"Was für Bewaffnung haben wir an Bord?"
Der Ingenieur hob die Schultern.
"Keine Feuerwaffen, nichts dergleichen. Wir dürfen sie nicht mitnehmen,
damit nicht jemand ein Loch durch die Hülle macht."
Slaye sah Lesleigh an.
"Warum fragst du?"
"Weil wir eine Form der Verteidigung brauchen könnten. Ich meine,
das sind offensichtlich Ketars, nicht wahr. Keiner in Garistia wird sich
beschweren, wenn wir ein paar Ketars umlegen, falls es die Explosion verhindert.
Diese Mission ist zu wichtig, um durch ein paar lausige Kriminelle ruiniert
zu werden."
"Wenn es Ketars sind, wie sind sie hereingekommen? Sie haben nicht
die Technologie dazu", fragte Slaye.
"Das kann ich nicht beantworten", erwiderte Lesleigh. "Aber es müssen
Ketars sein, nichts anderes. Mr. Yarbro sagte mir, daß jedes Schiff,
das Garistia zwanzig Stunden vor oder nach der 'Bellastania' verließe,
abgeschossen würde. Das Schiff muß aus Iotania gekommen sein."
"Aber warum uns kapern?" fragte Thea. "Ich kann nicht verstehen, warum
sie das wollen sollten. Wir befördern keine Fracht, überhaupt
nichts Wertvolles."
"Vielleicht denken sie, daß wir etwas Wichtiges transportieren",
sagte Lesleigh. "Sie erkennen anscheinend nicht, daß wir zum Mitral
fliegen."
Slaye strich seine Haare zurück. "Was machen wir also? Irgendwelche
Ideen?"
"He", sagte Thea, "ich habe eine Idee. Und wir müßten nicht
mal in ihre Nähe gehen. Wenn wir sie nicht töten, würde
es sie wenigstens in ihr Schiff zurücktreiben."
"Was ist es denn?" fragte Slaye.
"Nun, wir lassen die Luft ab, versteht ihr", erklärte Thea. "Dieses
Schiff hat die Möglichkeit dazu. Es ist ein einfacher Prozeß,
wir müssen sie nur in Behälter pumpen und aufbewahren, bis wir
sicher sind, daß sie alle tot sind. Dann schließen wir die
Behälter wieder an und pumpen die Luft zurück."
"Was machen wir inzwischen?" fragte Lesleigh. "Wo können wir hin?"
"Zwei Möglichkeiten", unterbrach ihn Slaye. "Wir könnten
uns, wenn nötig, im Shuttle verstecken. Es hat einen ausreichenden
Luftvorrat. Oder wir könnten die Anzüge anlegen und die Luft
aus den Flaschen benutzen."
"In Ordnung", sagte Lesleigh, "wie lassen wir die Luft ab?"
Thea sagte: "Ich werde es machen, ich habe das auf anderen Schiffen
schon getan. Es wird manchmal angewendet, um Lecks oder Brüche in
der Hülle zu finden."
"Also gut", sagte Lesleigh, "Watels, du holst fünf Anzüge
aus der Schleuse. Überzeuge dich, daß sie funktionieren, keine
Löcher oder so haben. Dann hol fünf Flaschen und säubere
die Ventile. Überprüfe auch, ob sie voll sind. Wenn nicht, füll
sie auf. Klar?"
"Klar."
Lesleigh fuhr fort. "Slaye und Nailla, ihr geht und öffnet die
Ventile. Ich werde die Behälter holen und sie zu euch bringen. Okay?"
Nailla nickte zustimmend. "Okay."
Sie begannen die Brücke zu verlassen.
Sie polterten den Korridor #3 hinunter. Neben ihren schattenhaften
Gestalten schlängelten sich ölige Leitungen, dampfende Rohre
und Bündel vielfarbiger Drähte ins Halbdunkel. Die Wände
waren mit Platten verkleidet und rostzerfressen.
Nailla blieb unter einem metallenen Vorsprung stehen und zwängte
sich in eine Nische. Er griff nach der Lukensteuerung.
Ein rotes Rechteck durchdrang die Dunkelheit, als sich die Eingangsluke
hob. Ohne ein Geräusch schob sie sich in die Decke und gab ein befriedigendes
Klicken von sich, um anzuzeigen, daß es dort verriegelt war. Sicher,
daß es nicht herunterfallen würde, wenn sie durchgingen, schoben
sie sich hinein, und Slaye drehte sich um, um sie einzuschließen.
Die Hitze war überwältigend, als sie eintraten. Dampf stieg
von den tausenden kochenden Leitungen auf, die an den Wänden hingen.
Ein Ausbruch heißen Dampfes schoß hin und wieder aus einer
zerbrochenen Leitung und überflutete den versengten Raum, während
das Wasser kondensierte.
Nailla blieb stehen, um Atem und Fassung wiederzufinden und wischte
sich den Schweiß von seiner Stirn. "Hier drüben", er deutete
auf eine dünne Metallplatte, die am anderen Ende des Raumes lag, verschleiert
von künstlichem Nebel. "Dort geht es zu den Lagerräumen", sagte
er. "Den Laufsteg entlang, über den Korridor. Sie sind im nächsten
Raum."
"Gut", sagte Lesleigh, während er auf die Luke zustolperte. "Denk
daran, all diese Ventile zu öffnen, bis ich zurückkomme. Es wird
nicht lange dauern."
Wie er angewiesen hatte, ergriff Nailla das erste Handrad und versuchte
es zu drehen. Selbst mit der zweiten Hand passierte nichts. "Dieses klemmt",
murmelte er vor sich hin und wandte sich dem benachbarten zu. Nach einem
ersten Ruck begann sich das zweite Rad zu drehen. Er fing es ab, bevor
das Ventil aufspringen und eine Fontäne brühheißer Flüssigkeit
ausspeien konnte. Er ging zu dem dritten und wiederholte die Prozedur.
Thea Kell schloß die Luke hinter sich und ging in den Raum hinein,
die Reihen der Ventile, Anzeigen und Monitore überblicken. Sie setzte
sich auf einen ungepolsterten Stuhl und begann mit der Leichtigkeit von
jemandem, der in der Bedienung von dieser Art Maschinerie erfahren ist,
Schalter zu betätigen und Monitore zu aktivieren. Doch sie hatte diese
Operation nur zweimal zuvor ausgeführt und es war nicht unter solchem
Zeitdruck geschehen.
Ihre Finger flitzten über das Keyboard und verwandelten den gleichmäßigen
Fluß des recycelten Wassers in einen gleichmäßigen Fluß
aus reiner, sauberer Luft. Sie veränderte die Luftversorgung vom Ausstoßen
zum Einsaugemodus und lehnte sich zurück, um zu warten.
Pete Watels zuckte zusammen, als ihm die Sauerstofflasche aus den zitternden
Fingern rutschte, vom Rost krachte und von seiner erschöpften Gestalt
fortrollte. Er bückte sich, um sie wieder aufzuheben, und zerrte sie
dorthin, wo schon vier gleiche Flaschen an der Wand des Lagers lehnten.
Nach einer kurzen Pause ging er zu einem Schrank mit Glastür, einen
von vielen, die an der gegenüberliegenden Wand standen. Seine Versuche,
den Inhalt zu erkennen, indem er nur durch das schmutzige Glas spähte,
waren fruchtlos. Er nahm zu gefährlicheren Methoden Zuflucht.
Seinen Atem anhaltend, zog Watels die Tür auf - das übliche
Quietschen hallte durch die Korridore und Zugänge - und eine Reihe
von Plastikbündeln hing vor ihm, einige schon lose an ihren Drähten.
Er erkannte sie sofort und ein schwaches Lächeln erschien auf seinen
Lippen. Druckanzüge. Er griff hinein, zog das erste Bündel heraus
und warf es auf den Boden. Sich seine Hände an den Hosen abwischend,
griff er nach dem zweiten. Grinsend nahm Lauder das Gewehr von seiner Schulter.
Die drei kurzen Feuerstöße hallten laut und deutlich durch das
Schiff. Lesleigh ergrill ein Geländer und stieg die Treppe hinunter,
vorsichtig, um nicht in den verdächtigen Pfützen auszurutschen,
die sich auf den Stufen angesammelt hatten.
Trübes Licht drang von oben herab und wurde von fleckigen Geländern
und unpolierten Behältern schwach reflektiert. Zerfallene Holzkisten
waren bis an die Decke gestapelt, einige waren umgestürzt und hatten
ihren Inhalt verstreut. Lesleigh erreichte den Fuß der Treppe und
stieß eine verirrte Büchse Tomaten über die Brüstung,
bevor er weiterlief, vorbei an großen Haufen Proviant, die den ausgedehnten
Lagerraum füllten. Eine Hand griff nach der Lukensteuerung, während
ihr Besitzer hinter sich schaute, auf der Hut vor lauernden Schatten.
Kirst Ellan spähte um eine Biegung im Korridor #15 nach irgendwelchen
Anzeichen von Leben, entweder feindlich oder freundlich. Seine Augen durch-
forschten den Durchgang, aber nichts regte sich. Nichts floh. Nichts sprang.
Seufzend umrundete er die Ecke, sein Selbstvertrauen lag in dem Gewehr,
das er fieberhaft mit beiden Händen umklammerte. Hinter ihm unterhielten
sich Wilson und Morton freundschaftlich, ihre überflüssigen Gewehre
über die Schultern gehängt.
Ellan entspannte sich nur einen Moment zu früh.
Die Luke direkt vor ihm schob sich glatt nach oben und verschwand in
der Decke. Sein Herz setzte aus.
Eine Gestalt trat ins Licht und war verschwunden, eingehüllt von
den fließenden Schatten. Sein Finger schloß sich automatisch
um den Abzug. Er drückte ab. Der Lauf zuckte zweimal und spie kleine
Lichtblitze in die kalte Luft. Zwei rauchende Löcher erschienen im
Metall der Luke. Licht aus dem Raum dahinter drang durch die geschwärzten
Einschüsse.
Ohne nachzudenken, rannte Ellan den Korridor hinunter, seine Stiefel
dröhnten auf den öligen Platten. Auf einer Seite von ihm senkte
sich die Ausgangsluke gerade.
Lesleigh kletterte hastig in den schmutzigen Lagerraum und sprang sofort
auf die Kisten zu. Seine Füße zerdrückten die erste, während
sich der Ex-Praktikant hinaufzog, die Finger gruben sich ins Holz und die
Füße traten auf die Verstärkungsleisten. Kisten krachten
von der Spitze des Stapels und zerplatzten auf den darunterliegenden, während
sich Lesleigh hinaufarbeitete.
Kirst Ellan betrat den Lagerraum und erblickte die schnell verschwindende
Gestalt. Er riß das Gewhr hoch.
Rauchende Splitter flogen umher, als er zweimal feuerte. Holzstücke
und Wolken von Sägemehl verfolgten Lesleigh die andere Seite des Stapels
hinunter.
Ellan senkte den Lauf und feuerte drei ungezielte Schüsse in den
unförmigen Haufen von Kisten vor sich, bevor er sich umblickte.
Wilson und Morton kamen in den Lagerraum gerannt und nahmen ihre Gewehre
herunter.
"Wer ist es?" fragte Morton.
"Skerrit, glaube ich", erwiderte Kirst. "Ihr geht um diese Seite herum
und seht mal nach. Ich werde die Luke beobachten." Er feuerte zwei weitere
Schüsse in den Haufen, bevor das Gewehr mit einem laut hörbaren
Klicken anzeigte, daß es leer war. Er löste seinen Finger und
drückte trotzdem noch einmal ab, bevor er das Gewehr angewidert fortwarf.
Wilson ging vorsichtig um den Stapel herum, seine Waffe vor sich haltend.
Er postierte sich parallel zum anschließenden Durchgang und ließ
seinen Finger über den Abzug gleiten. Der Lauf zuckte zweimal.
Lesleighs Faust traf ihn schwer in den Magen und er krümmte sich
zusammen, als die Luft aus seinen Lungen zischte.
Morton riß automatisch sein Gewehr von der Schulter. Sein Finger
schloß sich um den Abzug.
Finger krallten sich in Wilsons Haare und rissen ihn rauh in den Schatten
des Stapels. Lesleigh entriß ihm das Gewehr und spähte um die
Ecke.
Der Lauf von Mortons Gewehr zuckte und flammte. Eine Vielzahl rauchender
Ringe erschien in der Kiste neben Lesleighs Kopf. Sägemehl füllte
den Gang.
Ellan erschien hinter Lesleigh, seine Gestalt war halb von den trockenen
Wolken des Staubes verhüllt. In seiner linken Hand trug er eine Kette,
deren Glieder groß und lang waren.
Sie fuhr über Lesleighs Kopf und zog sich fest. Ellan zog sofort
beide Enden zusammen und verdrehte die Glieder mit den Fäusten. Hustend
griff Lesleigh nach der Kette und bekam zwei Finger zwischen Metall und
Haut.
Morton erschien im Eingang des Ganges, das kurze Gewehr in einer Hand.
Lesleighs Fuß schleuderte es aus seinem Griff und schickte es polternd
irgendwohin. Lesleigh ließ sich schwer auf seine zerschlagenen und
schmerzenden Knie fallen, vor seinen Augen verschwamm alles. Ellan verlor
die Kette, als er über den Rücken seines Opfers flog und auf
die staubigen Kisten krachte. Sie glitt aus seiner Hand und rollte außer
Sicht.
Lesleigh bückte sich, um sich das Gewehr zu nehmen, seine Finger
suchten nach dem Gurt. Morton erschien im Eingang und trat zu, Lesleigh
durch die Luft schleudernd, dessen zitternden Fingern der Gurt wieder entglitt.
"Nimm das Gewehr", fauchte er.
Lesleigh war in sekundenschnelle wieder auf den Beinen, von den modrigen
Kisten schwach unterstützt. Die Glieder schmerzten, der Kopf schmerzte,
der Hals schmerzte.
Ellan kroch zum Gewehr und seine Finger schlossen sich langsam um den
Lauf.
Morton versetzte Lesleigh einen Hieb und zerrte den Ex-Praktikanten
ins Offene. Die Glasscheibe, durch die man die dampfenden Wassertanks beobachten
konnte, spiegelte hinter ihm. Licht sickerte durch die beschlagene Scheibe.
Ellan ergriff das Gewehr und erhob sich, dabei die Ladung überprüfend.
Er begann sich umzudrehen.
Lesleigh rammte Morton den Ellbogen in den Magen und trat nach Ellan,
ihn in den Bauch treffend. Der Ketar schnappte nach Luft und krümmte
sich, das Gewehr hing schlaff in seiner Hand.
Lesleigh trat noch einmal zu.
Der Ketar krachte durch das Glas und ein tödlicher Schauer silberner
Splitter explodierte in die dampferfüllte Luft.
Ellan erblickte gerade noch die kochenden Tanks, fühlte die Hitze
auf seiner Haut, dann begann er zu fallen.
Morton kniete sich hin und zog ein Messer aus dem Stiefel, dann stürzte
er vorwärts.
Lesleigh suchte die Kisten schnell nach einer Waffe ab.
Nichts. Überhaupt nichts.
Dem Messer ausweichend, stieß Lesleigh ungeschickt gegen die
Wand, dabei gerade noch das im Glas klaffende Loch verpassend.
Etwas zischte.
Morton bückte sich, stolperte und zog das Messer wieder aus einer
Kiste.
Lesleigh sah die Wand an, gegen die seine erschöpfte Gestalt geschmettert
worden war. Der "Notlandung"-Schrank war aufgesprungen. Innenlichter hatten
zu flackern begonnen. Drinnen hing eine reglose Reihe von rot und gelb
gestreiften Notfackeln.
Morton griff wieder an. Schnell denkend, griff eine Hand nach der ersten
Fackel und riß sie aus ihrer Schutzhalterung. Ein Finger preßte
sich auf den Abzugsknopf. Morton zögerte und runzelte die Stirn.
Die Ladung krachte.
Die Fackel zischte los, einen Schweif aus dichtem, purpurnen Rauch
hinter sich her ziehend. Die Ladung traf Morton voll in die Brust, eine
dumpfe Explosion schleuderte das Messer beiseite. Er stolperte gegen die
Kisten und brach zusammen, purpurner Rauch quoll aus seiner verbrannten
und geschwärzten Brust.
Lesleigh ließ das Notsignal fallen und lehnte sich atemringend
an die Wand.
Lauder ließ den leblosen Körper Theas los und lehnte ihn
gegen die Kisten. Er nahm sein Gewehr und verließ den Raum, die Luke
hinter sich schließend.
Lesleigh eilte durch den Lagerraum auf die Treppe zu. Ohne Atem zu
holen, begann der Ex-Praktikant hochzusteigen, zwei Stufen auf einmal nehmend.
Ein Schatten schob sich an der Luke vorbei.
Das harte Krachen von Gewehrfeuer hallte durch das Schiff.
Lesleigh blieb stehen und starrte keuchend auf die Luke. Nailla, Slaye?
Tot? Vielleicht sogar Thea und Watels...
Am Fuß der Treppe schob sich Wilson ins Licht. In einer Hand
hielt er ein Messer, er grinste ein zahnloses Grinsen.
Lesleigh blickte auf die bösartige Gestalt und dann zurück
zur Luke. Ein paar Füße fielen aus dem Loch, als sich jemand
auf den Laufsteg hinabzulassen begann. Eine Hand hielt sich am Geländer
fest und ein Fuß ergriff die Querstange. Lesleigh spannte sich und
stellte ein schmerzendes Bein auf das Metall.
Wilson schaute zu, wie die schattenhafte Gestalt sprang und schwer
auf der Spitze des Stapels landete.
Lauder fiel aus der Luke und ergriff sein Gewehr. Automatisch eröffnete
er das Feuer und übersähte die zerfallenden Kisten mit splitternden,
rauchenden Löchern.
Lesleigh fiel in einer Wolke aus Staub und geschwärztem Holz zu
Boden. Nachdem er für einen Augenblick stillgelegen hatte, erhob er
sich und spähte um eine Ecke. Die Augen blieben an einer bestimmten
Kiste hängen. Auf einer bestimmten Seite.Auf einem bestimmten Zeichen.
Der Schädel und die Knochen.
Yarbro fiel aus der Luke und, als er sich umgeschaut hatte, zwang er
die Mündung von Lauders Gewehr weg von dem Stapel.
"Nicht schießen", fauchte er, "nicht im Lager."
Lesleigh erreichte die Kiste und seine Finger griffen nach dem Siegel...
Lauder sah die Hand und entriß Yarbro den Lauf. Er schoß einmal,
zweimal.
Zwei Löcher erschienen im Holz. Zwei Rauchfäden stiegen von
den Löchern auf.
Lesleigh wich zurück, in den Schatten des Stapels. Die Kiste begann
zu rauchen, ihre ausgetrocknete, hölzerne Oberfläche qualmte
zuerst, dann färbte sie sich schnell dunkel. Lauders Stiefel polterten
auf den Stufen, als er die Treppe hinab kam, das kurze Gewehr in den schwitzenden
Händen.
Irgendetwas kam blitzschnell in Sicht.
Das Gewehr krachte und machte ein rauchendes Loch in das Metall der
Luke. Lesleigh stieß den verdutzten Wilson aus dem Weg und glitt
hinein, die Finger nach der Steuerung ausgestreckt.
Die Luke begann sich zu heben.
Das Holz zischte laut, winzige Flammen beleckten den tödlichen
Inhalt. Mit einem Ächzen eruptierte die Kiste in strahlende Helligkeit,
Flammen schossen nach oben und außen. Große Platten aus brennendem
Holz kreischten durch den Lagerraum und zerplatzten auf kaltem Metall.
Die Luke klickte wieder in den Boden.
Yarbro schrie Lauder etwas unverständliches zu und begann sich
in den Kesselraum zurückzuziehen.
Lesleigh erreichte die Brücke, als die erste von einigen kleineren
Explosionen die Bellastania schüttelte. Er sank vor der Konsole in
einen Sessel und drückte auf Knöpfe und Schalter. Anzeigen und
Entfernungen wurden überprüft und bestätigt. Dann stand
Lesleigh auf und hielt sich an der Konsole fest. Die Brücke schwankte
unsicher und begann sich sehr langsam wieder zu richten. Lesleigh stolperte
außer Atem auf das Shuttle zu.
Sein Finger fand die Kontrollen und die Luke ging hoch, Lesleigh duckte
sich unter ihr durch. Er kroch an der "Notluke" vorbei und ließ sich
hastig in einen anderen Sessel fallen, bevor er mit überraschender
Genauigkeit das Schaltpult aktivierte.
Yarbro zog sich durch den schwankenden Korridor, als eine Serie mächtiger
Explosionen das Schiff und seinen Inhalt durchschüttelte. Er kämpfte,
um die Brücke in einer Lawine von Trümmern zu erreichen.
Mit einem Zischen seiner Triebwerke löste sich das Shuttle vom
Dock. Raketen zündeten einmal, zweimal und zogen den schlanken Flugkörper
von der weniger eindrucksvollen Bellastania fort.
Die Docking-Station brach in sich zusammen, Flammen brachen aus dem
Wrack in die schweigende Leere.
Die Brücke explodierte gleichermaßen lautlos. Nur Sekunden
später folgte der rest des Schiffes. Stücke feurigen Metalls
zerrissen zu Nichts, Träger, zerbrochene Spanten und zerfetzte Gitter
verteilten sich schweigend.
Ungestört bewegte sich das winzige Shuttle auf sein Ziel zu, einen
Friedhof rauchender Trümmer zurücklassend.
Es kostete Lesleigh nur siebenundvierzig Minuten, um Mitral zu erreichen.
Die Landung eines Shuttles bringt oft Schwierigkeiten mit sich, doch Lesleigh
hatte keine, als er auf einer der flachen Plattformen, einem von Menschenhand
geschaffenen Plateau, aufsetzte.
Lesleigh überprüfte die Grabesonde und die Verkleidung, die
sie umgab, auf Schäden, aber es waren keine zu sehen.
Die Hauptaufgabe begann erst...