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sofort zurück, die Augen rot im plötzlichen grellen Licht, die Zähne gefletscht. Jared feuerte noch einen Schuß ab, und schon schwärmten sie wieder den Tunnel hinunter. Ihre Krallen kratzten und kreischten auf dem Metallboden des Kabelkanals. Jared war von einer Masse verkohlter, schwelender Leichen umgeben. Dicker Qualm hing in der Luft, und ein ekelhafter Geruch beleidigte seine Nase. Er fuhr sich mit zitternder Hand über die Stirn und wankte dann zum linken Tunnel, wo er heftig würgte. Er ging zu seinem Platz an der Wand zurück, stieß die toten Ratten mit dem Fuß in den Tunnel und setzte sich zitternd hin. Das Heizungssystem war nicht dafür gebaut, die Kabelkanäle warm zu halten, und Jared war für diese Temperaturen nicht richtig angezogen. Er machte seine Tasche auf und spülte sich den Mund mit etwas Saft aus, den er weg spuckte. Sofort tat ihm die Verschwendung leid.
   Die Stunden vergingen nur langsam. Er schlang die Arme um den Körper, saß da und beobachtete den Tunnel mit wildem, besorgtem Blick. Er hielt seinen Laser grimmig fest, und seine Knöchel waren weiß von der Anspannung. Nach ein paar Stunden brach er noch einen Essensriegel an, und obwohl er beschlossen hatte, es nicht zu tun, aß er ihn ganz auf. Sein Magen war vom Erbrechen völlig ausgeleert, und er hatte das dringende Bedürfnis, das hohle Gefühl der Leere zu lindern. Zuerst führte er Selbstgespräche und sang, aber nach einer Weile war er still, weil er Angst hatte, die Ratten oder einen Suchtrupp anzulocken. Die Gedanken drehten sich ihm im Kopf, und in der unnatürlichen Stille schien es, als riefe er sie durch den ganzen Bunker. Er fühlte, wie ihm der Kopf schwer wurde, und er versank in die unruhigen Träume eines Gejagten. Sein Körper war noch immer steif, und er hatte den Laser fest im Griff.
   Jared erwachte im Dunkeln. Es war nun vier Tage her, daß er in den Kabelkanal entkommen war. Er schaltete sein tragbares Computerkommunikationsgerät ein.
   "Hallo, welcher Tag ist heute?"
   "Es ist Dienstag, Jared, und ich glaube wirklich, du solltest zurück nach oben gehen. Ich weiß nicht, warum du dich hier unten aufhältst."
   Jared knipste sein Gerät aus. Er hatte schon längst die Hoffnung aufgegeben, daß der Computer ihm vielleicht nützliche Auskünfte geben würde. Seine Nahrungsmittelvorräte waren am Tag vorher zu ende gegangen. War es Nacht? Laut seiner Armbanduhr schon, aber er hatte jedes Zeitgefühl verloren. Die Zahlen bedeuteten ihm nichts. Er fuhr sich mit der Hand durch die rauen

Stoppeln am Kinn und unterdrückte ein Gähnen. Plötzlich spitzte er die Ohren, als er das ihm nun schon vertraute kratzende Geräusch näher kommender Ratten hörte. Er schaltete eilig die schwache Lampe an und kniff die Augen zusammen. Vorne im linken Tunnel konnte er die Augen der vorrückenden Nagetiere erkennen. Sein Sehvermögen im Dunkeln hatte sich in den vier Tagen, die er im Kabelkanal war, ungeheuer verbessert. Er ließ seinen Laser vom Gürtel gleiten und stellte ihn auf Minimalladung ein. Kreischend kam die Rattenhorde die letzten zehn Meter auf Jared zu gerannt. Er feuerte die Waffe mitten in sie hinein, und der ekelhafte Geruch von verbranntem Nagetierfleisch stieg ihm wieder in die Nase. Er richtete die Waffe auf die im Rückzug befindlichen Viecher, um ihnen eine letzte Ladung zu verpassen, aber als er auf den Abzug drückte, passierte nichts. Verzweifelt versuchte er es noch einmal, aber das Ergebnis war dasselbe: seine Energieeinheit war leer. Er schleuderte den Laser den Tunnel hinunter und fluchte laut. Das Echo seiner Stimme hallte weit in der Ferne. In ungefähr zwei Stunden würden die Ratten zurück sein. Im Laufe der Tage waren sie zunehmend kühner geworden, vielleicht wußten sie, daß ihm nur begrenzte Zeit zur Verfügung stand. "Aber noch habt ihr mich nicht!" rief er, kroch vorwärts, um seine weggeworfene Waffe unter dem Haufen noch qualmender Leichen herauszusuchen, und unterdrückte das Bedürfnis, sich zu übergeben. Er hatte beschlossen, daß er aus dem Kabelkanal heraus mußte. Er hatte jetzt keine andere Wahl. Wenn es die Wächter nicht taten, würden ihn die Ratten holen. Langsam kroch er zurück den Tunnel hinunter, durch den er gekommen war. Sein Tempo hatte sich auf dem Rückweg beträchtlich verlangsamt. Eine Ewigkeit später stand er auf der obersten Sprosse des aufwärts führenden Gangs. Er holte tief Luft, drückte mit der Hand gegen die Platte, und betete, daß man sie nicht entdeckt und wieder verschraubt hatte. Er hatte Glück. Die Platte ließ sich reibungslos hoch und zur Seite schieben, und Jared kletterte dankbar durch die Öffnung. Als er durch war, versuchte er, sich aufrecht hinzustellen, aber das tagelange Gebückt gehen rächte sich jetzt, und er mußte einen Augenblick gegen die Wand gelehnt sitzen bleiben, damit sich seine gemarterten Muskeln erholen konnten. Das Licht im Korridor war auf dem niedrigsten Stand, der Bunker schlief. Nach ein paar Minuten richtete Jared sich qualvoll auf und schob die Platte zurück, aber die Bolzen behielt er in der Tasche.

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