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wohnen?"
   "Klar, die ist prima."
   Möchten Sie eines Tages den Bunker verlassen?"
   "Selbstverständlich. Das will doch jeder, oder?"
   Der Arzt nickte. Sein Blick wandte sich kurz vom Monitor ab, als er ein paar Notizen machte. "Sie sind glücklich bei Ihrer Arbeit?"
   "Die ist doch freiwillig, oder etwa nicht?" fragte Jared herausfordernd.
   "Beantworten Sie bitte nur die Frage."
   "Also nicht die ganze Zeit, nein. Es ist nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich kann meinen Verstand nicht benutzen. Ich bin bloß ausführendes Organ für den Computer. Es juckt ihm, und ich werde nur zum Kratzen hin geschickt. Ich brauche ja eigentlich nicht mal richtig was zu wissen. Mir wird genau gesagt, was ich tun muß. Sogar ein kleines Kind könnte das. Aber ich mache die Arbeit gerne. Ich könnte es nicht aushalten, den ganzen herum zu sitzen und Spiele zu spielen und Videos an zugucken wie die anderen Dahinvegetierer hier."
   "Nun ja, ein paar von uns arbeiten aber auch, Jared."
   "Ja, wirklich? Wie oft kommt denn jemand zu Ihnen?"
   "Wir wollen hier über Sie sprechen, Jared, nicht über mich. Jetzt nur noch eine Frage, und dann sind Sie erlöst."
   "Na, denn mal los."
   "Was fällt Ihnen bei dem Wort 'Vogel' ein?"
   Jared legte den Kopf zurück und sah auf die gewölbten Lichtfelder. Ein Lächeln zog ihn über das Gesicht.
   "Ein Saufbold, der um Mitternacht singen tat."
   "Eine Zeile aus einem alten Lied. Sie reimt sich mit 'ein Vogel auf einem Telegrafendraht'."
   Der Arzt machte eine letzte Eintragung, sah dann auf und lächelte Jared an. "So, ich hab' Ihnen ja gesagt, daß es nicht allzu wehtun würde, nicht wahr. Schwester, bringen Sie Jared bitte an die Tür. Das ist erstmal alles."
   "Also, vielen Dank, Herr Doktor, es war wie immer sehr lehrreich." Er schüttelte sich die Draht haken vom Kopf, stand aus dem Sessel auf fuhr sich mit der Hand durch's Haar.
   "Ein bißchen kürzer, als ich es wollte, aber so ganz in Ordnung." Als er aus der Praxis ging, warf ihm Sekretärin an der Rezeption noch einmal ihr Platin Lächeln zu.
   "Einen schönen Tag wünsche ich Ihnen."

   Draußen vor der Tür ging Fiona besorgt auf und ab und wartete auf ihn. Sie nahm ihn beim Arm.
   "Jared, was um Himmels willen ist hier los?"
   "Nichts ist los." Es war manchmal furchtbar schwer, in einem Atombunker einen Augenblick in Ruhe gelassen zu werden, dachte er.
   "Ich mache mir große Sorgen um dich, Jared. Warum haben die Mediziner dich weggeschleppt? Worum dreht sich das alles?"
   "Ach, das Übliche, Sie wollten bloß mal den ollen Sicherungskasten überprüfen."
   "Was ist ein Sicherungskasten? Warum kannst du nicht vernünftig reden?"
   Jared tippte sich seitlich an den Kopf.
   "Die kleinen grauen Zellen, weißt du. Sie wollten nur sicher-gehen, daß ich nicht am Bunkersyndrom ausflippe."
   "Aber warum denn?"
   "Na ja, ich habe letzte Nacht die Partnerin wieder weggeschickt, die sie mir zugeteilt hatten."
   "Was hast du gemacht?"
   "Ich hab' sie wieder weggeschickt. Ich wollte sie nicht. Ich wollte dich."
   "Ach, du bist wirklich unmöglich, du bist so egoistisch. Erst sagst du, du liebst mich, und dann machst du so etwas! Warum kannst du dich nicht einfach wie jeder andere normale Mensch benehmen? Vielleicht leidest du wirklich an dem Syndrom. Du weißt ja, was mit deinem Großvater passiert ist."
   "Ich weiß gar nichts. In meiner Familie wird nie über ihn gesprochen."
   "Er muß schon was ziemlich Schlimmes angestellt haben, um ausgesondert zu worden zu sein. Man wird nicht umsonst in die Sperrzone geschickt."
   "Ja, stimmt wohl. Hör mal, laß uns jetzt nicht über ihn reden." Jared fuhr seiner Freundin zärtlich mit der Hand über den kahlen Kopf. Verbrechen gab es im Bunker nicht. Jedenfalls kaum. Es gab keine Schlägereien, keine Streitigkeiten, keine Diebstähle und keine Eifersucht. Jedenfalls kaum. Die Mediziner hielten nach dem Bunkersyndrom Ausschau. Das bezog sich auf jeden, der wegen der unterirdischen Lebensweise Panikanfälle kriegte. Wenn jemand anfing, sich ungesellig zu benehmen, wurde er sofort zu Tests und

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